Das kontinentaleuropäische Recht ist immer auch ein in die Vergangenheit blickendes, weil ein historisch-gewachsenes, kodifiziertes Recht. Die Argumentation, den durch die Presse getauften „Majestätsbeleidungsparagraphen“ § 103 StGB zu streichen, weil er schlichtweg „altmodisch“ ist, genügt daher nicht.

Im 3. Abschnitt des besonderen Teils des StGB „Straftaten gegen ausländische Staaten“ geht es dem Zweck nach um den Schutz der diplomatischen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und der Länder die solche mit ihr im respektvollen Miteinander unterhält. Dies ergibt sich insbesondere aus dem § 104a StGB, der als Voraussetzung einer solchen Strafverfolgung immer einer Zustimmung der Bundesregierung bedarf. Dies zeigt, dass nicht jeder Staatsanwalt bei einem begründeten Verdacht der Erfüllung des Tatbestands, nämlich der Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhauptes oder eines in Deutschland befindlichen Diplomaten, ein Ermittlungsverfahren einleitet und somit die Hütung der Ehre der Diplomaten, ausländischer Staatsoberhäupter und deren Hoheitszeichen überwacht. Sondern ausnahmsweise soll dies die oberste Exekutive zunächst selbst entscheiden, nämlich und hier kommt wieder der Zweck, nicht der Tatbestand der Normen, zur Geltung, dass sie sich in ihren diplomatischen Beziehungen mit befreundeten Staaten und somit ihrer Arbeit, beeinträchtigt fühlt. Nun gibt es Satire, in einem stark meinungsfreiheitlich orientierten Land wie Deutschland, gegen jedes erdenkbare Staatsoberhaupt ob mit oder ohne diplomatischer Beziehung der Bundesrepublik, mitunter auch unter der Gürtellinie. Mit der Zustimmung der Regierung zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens, gibt man unzweifelhaft zu erkennen, dass nicht automatisch der Tatbestand erfüllt ist, diese Entscheidung obliegt den Gerichten, sondern dass sie sich in ihren diplomatischen Beziehungen mit der Türkei beeinträchtigt fühlt. In diesem Zusammenhang ist eine Wertung, dies als „bewusst verletzend“ zu bezeichnen, eine in das Gewaltenteilungsprinzip eingreifende Vorwegnahme m Hinblick des Tatbestandes.

Die völkerrechtlichen Bedenken hinsichtlich der Streichung des § 103 StGB teile ich, im Gegensatz zu dem ehemaligen Verfassungsrichter Hans Hugo Klein, nicht. Art. 29 der Wiener Diplomatenrechtskonvention stellt die sich im Inland befindlichen Diplomaten unter Schutz, nicht ausländische Staatsoberhäupter. Deren persönliche Achtung und Schutz ist Basis internationaler Diplomatie.

Das Recht unterliegt jedoch grundsätzlich der politisch-gesellschaftlichen Entwicklung der Allgemeinheit, die der Gesetzgeber dann auch gesetzgeberisch umsetzt (z.B. die Streichung des § 175 StGB, welcher Homosexualität unter Strafe stellte). So kann natürlich, wenn die Allgemeinheit und die Mehrheit des Gesetzgebers es als sinnvoll erachtet, den „veralteten § 103 StGB“ aus dem Strafgesetzbuch streichen, wenn sie den Zweck, den Schutz diplomatischer Beziehungen Deutschlands mit dem Ausland, als nicht schützenswert erachtet. Widersprüchlich ist jedoch das Verhalten, einerseits eine Ermittlung gemäß § 104a StGB zuzulassen, aber im gleichen Atemzug eine schnelle Streichung des § 103 StGB zu fordern. So wird dem zuständigen Gericht die Bürde auferlegt, ob nun der Zweck der Norm eingetreten ist und nicht nur ob der Tatbestand erfüllt ist, denn betrachtet man das Gedicht, ist dies wohl naheliegend. Eine Streichung des § 103 StGB würde auch keine sich in der Ehre verletzten Diplomaten schutzlos stellen, denn diese könnten sich auch gemäß § 185 StGB hilfreich zur Wehr setzen. Trotzdem wäre das Signal einer Streichung, wohl überwiegend, dass die Bundesrepublik sich nicht um die eigentlich befreundeten ausländischen Staatsoberhäupter schert. Politisch fragwürdig ist jedoch in vielerlei Hinsicht das Verhalten der türkischen Regierung. Die Türkei eigentlich Verbündete, Mitglied der NATO, EU-Vorzugspartner und haltet größte wirtschaftliche, sowie auch menschliche Beziehungen zu dem europäischen Kontinent. Trotzdem legt der türkische Präsident eine Rhetorik an den Tag, als stände man in Feindschaft miteinander, dazu gehört auch die offizielle Zitierung des deutschen Botschafters. Wenn sich jedoch ein deutscher Botschafter oder Journalist um Gerichtsverfahren in der Türkei interessiert, hieß es „dies gehe niemanden etwas an, das wäre Sache der Türkei“. Man stelle sich vor, in Deutschland würde der Bundespräsident gleiche Töne bei der Vielzahl an anwesender türkischen Journalisten beim Prozess rund um die NSU-Terrorzelle von sich geben. Der türkische Präsident nutzt die, womöglich auch mit provozierte, Flüchtlingskrise des Nahen Ostens dazu aus, um seine ideologische Feindschaft gegenüber Europa kundzutun und seine fragwürdige Macht auszubauen. Die Bundesregierung, bei sonst gewohnter Härte gegenüber den russischen Kollegen im Kreml, zeigt sich hier bei offensichtlichen Menschenrechtsverletzungen, die noch viel schlimmer wiegen, als die Einschränkung der Pressefreiheit, nämlich die Gefahr für Leib, Leben und die Freiheit der Person, für ethnische und religiöse Minderheiten und Regierungskritikern, milde gegenüber dem „Partner Türkei“. Hier sieht sie nämlich die nicht ohnehin schon, durch die Türkei schwierig gemachte Beziehungen in Gefahr und sieht ihr Handeln durch ein fragwürdiges TV-Show Gedicht als beeinträchtigt und dazu veranlasst, ihre eigene eigentlich sehr dominante politische wie wirtschaftliche Position in Europa durch eine Zustimmung gemäß § 104a StGB als schwach darzustellen. Absurder erscheint die ganze Situation auch dadurch, dass die Bundesregierung, durch ihre Signale selbst den Flüchtlingsstrom nach Deutschland eingeleitet hat. Aus einer außenpolitisch starken, wirtschaftlich hervorragenden Situation hat sich die Bundesregierung selbst in eine schwierige Situation manövriert, den sie nun zu korrigieren versucht. Die Einheit der EU-Staaten wird damit ebenso riskiert wie die wirtschaftliche und demokratische Zukunft aufs Spiel gesetzt wird. Deutsche Alleingänge hat es in der früheren Geschichte öfter gegeben, welche nicht unbedingt für den europäischen Kontinent von Vorteil waren. Doch dies ist eine andere Frage.

Eine Streichung des „veralteten“ § 103 StGB bräuchte es nicht zwingend, vielmehr sollte die Bundesregierung die politischen Signale überdenken, die es bei einer Zustimmung gemäß § 104a StGB in die Welt aussendet. Völkerrechtliche Bedenken gibt es jedoch nicht.

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